Nach einem Zwischenstopp in La Paz landeten wir an unserem neuen Ziel Uyuni. Ein unwirtlicher Ort. Eine echte Wüstenstadt, komplett eben, schachbrettartig angelegt, kaum asphaltierte Straßen, sondern nur Schotterbelag oder lange Sandpisten mit vereinzelt herumliegenden Pflastersteinen. Die Häuser zumeist in Form sich aneinander reihender Flachdach- Gebäude, alle mit weißer Mörtel-Außenschicht, kaum Fenster und nur unscheinbare kleine Türen. Kein einziges Gebäude hatte mehr als zwei Stockwerke. Die Häuserreihen wirkten wie eine lange weiße Wand entlang der meist leeren endlosen Straßenfluchten. Immer wieder fegten Windböen Staubwolken vor sich her. Der Staub bedeckte nicht nur die wenigen am Straßenrand geparkten Autos, sondern legte sich wie ein sand-grauer Schleier über die gesamte Stadt. Es schien, als ob die nahe gelegene Wüste sich das zurückholen wollte, was ihr gehörte. Bereits im nepalesischen Jomsom hatten wir das ‚Lied vom Tod‘ im Ohr, aber hierher hätte es noch tausend Mal besser gepasst.
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Uyuni liegt im Hochland des südamerikanischen Anden-Staates Boliviens. Die Stadt wurde 1889 als Militärstandort gegründet und liegt auf einer Höhe von 3675 m am östlichen Ufer des Salzsees Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Friedhof Cementerio de los Trenes drei Kilometer südlich der Stadt, ein Zeugnis der Eisenbahngeschichte Boliviens. Auf diesem „Friedhof der Züge“ rosten zahlreiche alte Dampflokomotiven und Waggons ihrer vollständigen Auflösung entgegen.
Durch die enorme Höhe wurden wir leider von den Folgen der Höhenkrankheit heimgesucht. Wir hatten zur Vorbeugung eigentlich genau deshalb in weiser Voraussicht vor unserer Anreise in Uyuni einen 3-tägigen Aufenthalt in Sucre eingeplant, welches etwa auf 2.800 m liegt. Nach 24 Stunden waren die Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen allerdings vergessen und die Umgebung entschädigte uns für alles.
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Bereits im Voraus hatten wir eine Tour auf dem Salar de Uyuni gebucht. Gar nicht so einfach, da die Bolivianer nicht die Schnellsten im Beantworten von E-Mails sind. Mit Sicherheit hätte man auch vor Ort eine Tour buchen können, allerdings sind für uns Indizien wie eine schnelle Antwort und inhaltliche Sicherheit der E-Mails ein gutes Indiz für die Qualität eines Anbieters. Leider gab es damals (gilt sicherlich auch weiterhin) hin und wieder Unfälle wegen schlechter Wartung der Ausflugsfahrzeuge, deshalb wollten wir bei unserer Auswahl Sorgfalt walten lassen. Wir entschieden uns für Red Planet (http://www.redplanetexpedition.com/), was sich als hervorragende Wahl erwies. Überaus professioneller Guide mit bestem Fachwissen und unglaublicher Leidenschaft zum Beruf. Perfekte Organisation mit Mittagessen im Restaurant eines Salzhotels und außerordentlich sichere Fahrweise in einem technisch einwandfreiem Jeep.
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Vor tausenden von Jahren entstand der Salar de Uyuni, diese größte Salzwüste der Erde, aus einem prähistorischen See, der austrocknete und eine riesige Salzkruste zurückließ. Nur nach starken Regenfällen kehrt der Seecharakter für eine Weile zurück.
Auf einer Fläche von 140 mal 110 Kilometern konnte man ganz schön lange einfach nur gerade aus fahren. Keine Straßen, keine Schilder, in jede Himmelsrichtung nur topfebenes Weiß. Soweit das Auge reichte nur Salz, kein Baum, kein Strauch, kein Stein, nur Salz. Nichts als Salz. Auf der Oberfläche hatten sich durch den Wind bis zum Horizont reichende regelmäßige Rechteck-Muster gebildet. Darunter liegt, das größte Lithium-Vorkommen der Welt (es wird aktuell auf etwa 5,4 Millionen Tonnen geschätzt). Über all das rauschte unser Jeep einfach hinweg, scheinbar orientierungslos. Selbst der Kompass war wegen der magnetischen Kräfte außer Betrieb.
Unerwartet und fast überraschend ragte eine kleine felsige grau-grüne Bergkuppe aus der endlosen Salzfläche. Entstanden aus Korallen und bewachsen von hunderten unterschiedlich großen, teilweise sogar riesigen Kakteen. Einige von ihnen dreimal so hoch wie jeder von uns beiden. Stacheln von Unterarmlänge und Fingerdicke. Verständlich, dass jeder unserer Schritte an diesen monströsen Gebilden vorbei bewusst gesetzt werden musste, einschließlich Baucheinziehen. Diese etwa 80 Kilometer von Uyuni entfernt liegende Insel Incahuasi (Quechua für Haus des Inka), beherbergt Säulenkakteen, die teilweise mehr als 1.200 Jahre alt sind.
Abgesehen von der Magie dieses einzigartigen Wunders der Natur namens Salar de Uyuni bietet der Wüstensee noch ein weiteres Phänomen. Etwas, das einfach nur Spaß macht. Der Salzboden, die Höhe über dem Meeresspiegel, der wolkenlose blaue Himmel, die direkte Sonneneinstrahlung, all das zusammen verursacht eine besondere Lichtbrechung, die eine erstaunliche Täuschung der optischen Sinne hervorrief. Menschen oder Gegenstände, die nur wenig entfernt waren, wirkten exorbitant groß. Alles was sich entfernte, wurde perspektivisch überproportional schnell kleiner. Eine anfangs total irritierende, dann aber belustigende Wahrnehmung. Ideal für die verrücktesten Fotos.
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Und am Ende unseres Tages auf dem Salar de Uyuni überraschte uns Mutter Natur mit einem weiteren wundervollen Highlight. Wir waren einmal mehr gezwungen, unser Ranking der schönsten Sonnenuntergänge auf Erden zu verändern. Neue Nummer eins: Sunset auf dem Salar de Uyuni. Wolkenlos und ohne jeden Schleier berührte die Sonne den Horizont. Jede Richtung, in die wir uns in enger Umarmung drehten, eröffnete uns einen unendlich weiten Blick über den weiß-schimmernden Salzsee, aber immer in anderen, sich stetig verändernden Farben. Die maschendraht-ähnlichen Salzreliefs bekamen durch die tiefstehende Sonne eine noch stärkere Akzentuierung, da die flachen Ränder angestrahlt und betont wurden. Die wenigen Hügel in der Ferne wechselten ihre Farben von braun nach rot und gingen schließlich mit dem gesamten Horizont über in ein klares, ungetrübtes Abendrot. Soweit das Auge reichte. 360 Grad. Ein Verschmelzen von räumlicher Weite und unendlicher Farbe, ein Aufheben der Dimensionen. Und wir nicht nur Zuschauer, sondern ein Teil des Ganzen. Die angenehme Wärme des Tages pervertierte jedoch parallel dazu in Sekundenschnelle in klirrende Kälte.
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Eine Reise an den Salar de Uyuni lässt sich am besten mit einem Besuch in der wunderschönen Stadt Sucre, in La Paz und einem Abstecher zum Titicaca-See verbinden. Wir übernachteten vor allem in landestypischen Hostals in kolonialem Pueblo-Stil - ein Flair, der der Atmosphäre von Bolivien für uns besonders entsprach. Sucre: Hotel Boutique Mi Pueblo Samary, La Paz: La Casona Hotel-Boutique, Uyuni: La Petite Port.
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