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AutorenbildEllen Kuhn & Dr. Joachim Materna

WELTREISE - wissen Sie, was dieser Begriff bedeutet?

Aktualisiert: 17. Okt. 2022


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Wir waren schockiert.

Als wir WELTREISE-TRAUM Mitte 2018 auf den englischen Markt brachten, stellten wir fest, dass es für „Weltreise“ kein englisches Äquivalent gibt, das alle Facetten des deutschen Terminus erfasst.

In Deutschland, Österreich, der Schweiz weiß jeder, beziehungsweise spürt jeder intuitiv, was „Weltreise“ bedeutet. Im Englischen benötigt man viele so ähnliche, nur vage umschreibende Phrasen, die aber weder den Kern, noch die Tragweite dieses für Reisende so wichtigen Wortes erfassen - traveling around the world, journey round the globe, trip around the world. Das sind vergleichsweise alles nur Worthülsen und sachliche Beschreibungen der Handlung, die aber nicht ansatzweise erfassen, welche Gefühle, welche Intentionen und welche ganz besonderen persönlichen Dimensionen „Weltreise“ impliziert.

Was bedeutet „Weltreise“ für einen Deutschsprachigen?

Ein herausragendes und aussergewöhnliches Projekt im Leben eines Menschen, das sich von allem abhebt, was sie oder er bis dahin in seinem Leben gemacht haben. Viel mehr als ein etwas längerer Urlaub. Nicht vergleichbar mit jeder anderen längeren Reise.

„Weltreise“ beinhaltet die Kombination unterschiedlichster Reisearten, unterschiedlichster Länder und Kulturen vereint zu einem Gesamterlebnis der besonderen Art.

Menschen, die eine „Weltreise“ machen, werden bewundert, sind aussergewöhnlich, erregen Aufsehen im Freundes- und Bekanntenkreis, gelten als mutig und unkonventionell.

Menschen, die eine Weltreise machen, sind oft Individualisten, die sich eine Auszeit aus Ihrem Beruf und ihrem bisherigen Leben gönnen, sich 3, 4, 6 oder mehr Monate Zeit nehmen, um die Welt zu erfahren und zu erkunden und nicht selten nutzen diese Menschen eine „Weltreise“, um ihr Leben zu verändern und neu auszurichten. Oder um sich vielleicht selbst ganz neu kennenzulernen.

Ist Weltreise etwas typisch Deutschsprachiges?

Das Lufthansa-Magazin hat uns jüngst als Experten danach gefragt, warum es ihren Redakteuren nicht gelungen ist, in anderen Ländern Lebensläufe zu finden, wo Menschen eine „Weltreise“ gemacht haben, die vielleicht deren Leben verändert hat. Man hatte in besonderer Ländern gesucht - beispielsweise China und Indien. Man fand keinen einzigen Menschen, über den man hätte berichten können!

Wir fragten uns, weshalb ist das so?

Zunächst kennen wir natürlich nicht alle Chinesen - was bei ca. 1,3 Milliarden Einwohner zugegebenermaßen natürlich auch eine zu ambitionierte Herangehensweise wäre.

Allerdings ist das Reiseverhalten der Chinesen im Allgemeinen und grundsätzlich noch ein ganz anderes als das der westlichen Länder und eher dem europäischen Tourismus von 1960 - 1990 ähnlich. Wenn die Menschen in China überhaupt reisen, tun sie dies bevorzugt in Gruppen, buchen die Flüge, wohnen am Zielort in einem (selten mehreren) Hotels und kehren danach wieder nach Hause zurück. Zudem ist Ihr Fokus Konsum und Existenzsicherung. Lebensveränderung ist beim Großteil kein Thema.

Warum fiel uns auch niemand aus Indien ein, der oder die eine Weltreise gemacht hat?

Auch in Indien spielt das Entwicklungsniveau des Reisens sicherlich eine dominierende Rolle. Selbst in der Mittelschicht reicht das Geld für größere Reisen meist nicht aus. Die etablierten und reichen Klassen gönnen und leisten sich Luxusreisen, die auch einmal Weltreise-ähnlichen Charakter annehmen können, kehren dann aber in ihre gesellschaftliche und familiäre Verankerung zurück. Auch wenn diese Analyse ebenfalls nur oberflächlichen Charakter haben kann, denn alle 1,3 Milliarden Inder kennen wir selbstverständlich auch nicht.

Warum ist das so? Ein Blick in die Geschichte lohnt.

Die international vermutlich bekannteste, literarisch aufgearbeitete und verfilmte Weltreise ist die 1873 veröffentlichte von Jules Verne „In 80 Tagen um die Welt“. In einer Zeit, in welcher die allermeisten Menschen ihr Leben lang Ihren Geburtsort nie verließen und technische Wunderwerke wie die US-Eisenbahn oder die Eröffnung des Suez-Kanals die Fantasie der Menschen beflügelten, entwickelte dieser Roman durchaus ein Zukunftsszenario.

Das Reisen hat in der Historie schon immer eine große, aber sich immer wandelnde Bedeutung gehabt.

Schon lange gehen die Menschen auf Reisen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Geschwindigkeit und der Komfort beim Reisen extrem verändert.

Reisen im Mittelalter war sehr beschwerlich und mühsam. Überwiegend unterwegs waren Kaufleute, Soldaten und Pilger. Frauen verreisten, abgesehen von adligen Damen, nur sehr selten.

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde es Mode, Bildungsreisen zu unternehmen. Immer mehr Adelige und vornehme Reiche entdeckten die Lust am Reisen. Es waren vor allem Engländer, die sich aufmachten, die Kultur und Kunst des europäischen Festlandes zu entdecken.

Richtige Vergnügungs- und Erholungsreisen etablierten sich erst im 19. Jahrhundert. Die Ziele wurden immer ausgefallener.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbrachte das wohlhabende Bürgertum bereits ein bis zwei Wochen am „Urlaubsort“ - für viele die schönste Zeit des Jahres.

Heutzutage ist in Sachen Reisen alles möglich. Und wenn Reisen breiteren Massen der Gesellschaft zugänglich ist, greift die von Yuval Noah Harari so treffend formulierte „Luxusfalle“ auch bald um sich. Man möchte immer mehr.

Wer macht eine Weltreise?

In den letzten Jahren scheint es im deutschsprachigen Raum fast so, als wäre die „Weltreise“ ein von den „Kreuzfahrern“ im Rentenalter und „Backpackern“ gepachteter Begriff (die gesellschaftliche Definition und Interpretation der Gruppe „Backpacker“ ist sicherlich ein Feld, das in den Medien und im Alltag kontrovers diskutiert wird). Nichtsdestotrotz ist eine Weltreise heutzutage auch für andere soziale Schichten und Altersgruppen leichter realisierbar geworden. In Zeiten von flexiblen Arbeitszeitmodellen, der Liberalisierung von stereotypen Arbeitsbiographien und der längeren Lebenserwartung darf und kann sich heute jeder auf den Weg um die Welt machen.

Erst wenn man also als Gesellschaft oder Individuum die "Entwicklung des Reisens“ durchlaufen hat - wobei der damit auch zunehmende Wohlstand ein sicherlich entscheidender Faktor ist -, ist man vermutlich bereit, weiter zu denken. Über das hinaus, was bisher war. Nicht nur eine Reise, bei der man die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abhakt, sondern etwas, das tiefer geht. Eine Erfahrung, die zwar für jeden anders, aber nichtsdestoweniger eindringlicher ist als jede bisher unternommene Reise. Eine Weltreise ist mehr, sie ist eine außergewöhnliche Erfahrung. Eine Reise-Art, für die man aus vielen Perspektiven betrachtet, reif sein muss.

Möglicherweise haben sich auch andere Kulturen bereits auf den Weg hin zu einer „Weltreise-Kultur“ begeben und Ihnen fehlt nur noch dieses kurze, prägnante und ausdrucksstarke deutsche Wort „Weltreise“? Wir werden sehen, wie die Menschen in China, Indien und anderswo auf der Welt in Zukunft reisen.

Vielleicht differenziert sich das, was für Sie ganz persönlich im Begriff „Weltreise“ steckt, von dem hier ausgeführten. Aber wenn Sie sich selbst fragen, stellen Sie vielleicht fest, dass in dem Begriff „Weltreise“ nicht einfach nur eine Reise steckt, sondern viel mehr.

© Travel-Edition

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