Nach dem Reisen ist vor dem Reisen. Und die Zeit dazwischen kann unendlich lang werden. Nicht nur während einer Pandemie, sondern vielleicht sogar schon zwischen zwei Wochenenden. Das trifft natürlich nicht auf alle Menschen zu, aber auf jeden Fall auf all die mit dem Reise-Gen, die Horizont-Süchtigen, die Fernweh-Kranken. Diese Krankheiten heilt Johannes Klaus mit seinen Travel Episodes nicht, er bietet allenfalls das Methadon, die Ersatzdroge. Genau genommen befeuert er die Symptome sogar, wenn er verschiedene Autoren bittet, ihre jeweiligen Erlebnisse, Abenteuer, Erfahrungen, Bilder und Gedanken in Worte zu fassen. Frauen und Männer, die an irgendeinem Ort rund um den Globus waren oder sich vielleicht sogar noch dort befinden und mit ihren Berichten und Erzählungen bei der gesamten Leserschaft Kopfkino vom Feinsten über die mentale Leinwand flimmern lassen.
Joannes Klaus ist Herausgeber und selbst Autor. Er hat seit 2016 insgesamt fünf Bände seiner Reihe „The Travel Episodes“ publiziert und hat dabei bei der Auswahl seiner Gastautoren immer ein feines Händchen bewiesen. Kein Wunder - wer selbst so viel reist und schreibt, der kann das beurteilen.
Die Titel der Bände klangen von Anbeginn wie Verheißungen. Es gab Geschichten von Fernweh und Freiheit, Geschichten für Abenteurer, Glücksritter und Tagträumer, Reisegeschichten von allen Enden der Welt oder es ging um die Lust am Alleinreisen. Dieses übergeordnete Thema eines Bandes spiegelt sich in allen Beiträgen der einzelnen Autoren in irgendeiner Weise wieder. Aber wen interessiert das? Nimmt einen der Erzähler oder die Erzählerin mit zu den Fischern am Yukon oder in die Strassen Kabuls, ist einem der Titel dieses Bandes mehr als egal. Man ist dort.
Deshalb nur der Hinweis für penible Chronisten, dass der neueste Band „Von Abenteuern in der Ferne und vor der Haustür“ heisst. Aber dann geht es auch schon los nach Südafrika und Kirgistan, nach Grönland und auf den Amazonas, nach Suriname und Kasachstan, nach Bangladesh, Australien und Nepal. Oder in den Iran. Oder man überquert das Meer mit einem Containerschiff. Vielleicht ist dieser fünfte Band teilweise ein Zugeständnis an die Pandemie, da auch die Reise-Junkies mitunter ihre Grenzen aufgezeigt bekommen haben. So haben auch zwei Beiträge aus Deutschland ihren Platz erkämpft.
Aber gerade da zeigt, sich, dass die Serie The Travel Episodes mehr ist als ein chronologisches Reise-Tagebuch, das einfach nur Orte aneinanderreiht. Fast alle Artikel haben Tiefgang, spiegeln die Gedanken, Reflexionen und Emotionen der Schreiber wider. Mal mehr mal weniger. Egal in welchem Land, diejenige oder derjenige gerade ist. Das können einerseits Eheglück im Iran oder ein traumhafter Sonnenuntergang im Pazifischen Ozean sein, anderseits aber auch Blut, Schweiß und Tränen bei der Besteigung eines Siebentausenders oder beim Scheitern der Grönland-Expedition.
Natürlich zeigen sich bei den einzelnen Autoren auch durchaus schriftstellerische Qualitätsunterschiede. Von „Hat sich bemüht“ bis „nobelpreisverdächtig“ ist fast alles vertreten. Aber damit kann man leben, wenn das fesselnde Element gewahrt ist und das ist es fast durchgehend.
Lassen wir doch zum Schluß den Mann zu Wort kommen der hinter allem steckt. Johannes Klaus wurde in einem Interview gefragt, worum es in seinen Büchern überhaupt geht. „Die Lust, Grenzen zu überschreiten. Örtliche wie auch persönliche. Denn eine Reise ist eine grandiose Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Ich zum Beispiel war Zeit meines Lebens übertrieben schüchtern. Zu reisen, vor allem allein, hat mir sehr geholfen auf Menschen zuzugehen und selbstbewusst Kontakte zu knüpfen.Die Geschichten handeln von verrückten Abenteuern in nahen und abwegigen Ländern, und wie es sich anfühlt da draußen: Euphorie, Ängste, Liebe – denn in der Fremde wird alles intensiver, klarer. Wer nach dem Lesen nicht sofort den Rucksack packen möchte, also ehrlich gesagt, da bin ich ratlos.“
The Travel Episodes gibt es auch multimedial online: http://www.travelepisodes.com/
Comments