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Einzigartige kulturelle Traditionen und Riten rund um die Welt

Autorenbild: Joachim Materna und Ellen KuhnJoachim Materna und Ellen Kuhn

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Was stellen Sie sich unter den folgenden Begrifflichkeiten vor? Holi, Ma`Nene, Famadihana, Nyepi, Gion-Matsuri, Sepik River Crocodile- und Boryeong Mud Festival, Burning Man und Folclórico de Parintins. Nie gehört? Dann wird es höchste Zeit, dass Sie einige der faszinierendsten Traditionen und Rituale kennenlernen, die unsere Welt zu bieten hat. Kommen Sie mit nach Indien, Nepal, Indonesien, Madagaskar, Japan, Papua-Neuguinea, Südkorea, Brasilien, Südafrika und in die USA.


Nordindien/Nepal

Holi - das Fest der Farben

Eigentlich ist Holi ein indisches Frühlingsfest mit hinduistischen Wurzeln, das am ersten Tag des Monats „Phalgun“ gefeiert wird, was auf Ende Februar oder häufiger in den März fällt. Es ist eines der ältesten Feste Indiens und wurde anfangs vor allem in Nordindien und im Süden Nepals begangen. Dieses Fest der Farben dauert je nach Region zwei bis zehn Tage. Die natürliche Basis war der Sieg des Frühlings über den Winter, der Zeitpunkt des farbigen Aufblühens der Natur. Später kamen immer vielschichtigere Bedeutungen hinzu. Die zugehörige spirituelle Mythologie sieht das Fest als Ausdruck des Triumphes des Guten über das Böse, aber auch als Anlass zur Versöhnung, zum Begraben aller Streitigkeiten. Beziehungen und Freundschaften sollen erneuert oder vertieft werden. Indem sich Menschen aller Gesellschaftsschichten versammeln, in gleicher Art und Weise farbig anmalen und miteinander lachen und tanzen, sollen in diesen Tagen auch theoretisch alle Schranken durch Kasten, Geschlecht, Alter und gesellschaftlichen Status aufgehoben werden. Wer das indische Kastensystem kennt, ahnt, dass dies allenfalls ein vorübergehender Zustand sein kann. Dennoch waren und sind die Holi-Festival-Tage immer schon ein Fest der Freude und Ausgelassenheit, an dem Alltagssorgen für eine Weile vergessen werden können. Man versammelt sich in weißer Kleidung in der Dorfmitte, um dann gemeinsam zu essen, zu tanzen und sich vor allem gegenseitig mit bunter Farbe zu bewerfen oder mit buntem Wasser zu übergießen. „Gulal“ wird die Farbe genannt, welche früher noch natürlich gewonnen wurde, meist aus Blüten, Wurzeln und Kräutern. Mittlerweile wird das Pulver meist chemisch hergestellt, die Bedeutung der Farben ist aber überwiegend die gleiche geblieben: Rot für Liebe und Leidenschaft, Blau für Göttlichkeit und Spiritualität, Grün für Fruchtbarkeit, Wachstum und Harmonie, Gelb für Optimismus, Lila für die Schönheit der Natur. Allerdings vermischen sich im Laufe eines Festes und vor allem der Jahrhunderte und Regionen nicht nur die Farben, sondern häufig auch die Angaben zu den Definitionen. Doch darüber geht man lachend und tanzend hinweg.

Leider spielen auch Rauschmittel während des Festes eine immer größere Rolle. Fast schon traditionell ist es üblich, zu Holi das aus der weiblichen Hanfpflanze gewonnene Bhang zu konsumieren. So mancher trinkt auch den traditionell eigentlich verpönten Alkohol. Alles zusammen mit Auswirkungen, die sich besonders in den Städten durch die daraus entstehende Gewalt immer mehr zu einem Problem entwickeln.

Das Holi-Fest hat sich über die Jahre nicht nur aus den nördlichen Regionen auf ganz Indien ausgedehnt, sondern man begann sich über die Jahre auch nicht mehr an die traditionellen Regionen und Termine zu halten. Seit dem frühen 21. Jahrhundert wird das Fest der Farben weltweit von diversesten Organisatoren und Event-Managern ohne Bezug zum kalendarischen Frühlingsvollmond zu unterschiedlichen, über das Jahr verteilten Terminen auf kommerzieller Basis angeboten. Meist legen hierbei DJs einen ganzen Tag lang auf und pushen regelmäßige Farbcountdowns, bei denen die Gäste eine Handvoll Farbpulver in die Luft werfen. Diese Holi-Imitate zählen mittlerweile weltweit pro Termin mehrere tausend Besucher.



Sulawesi/Indonesien 

Ma’Nene - Tote unter Lebenden

Beim Volk der Toraja im Zentrum der indonesischen Insel Sulawesi scheint in mancherlei Hinsicht die Zeit stehengeblieben zu sein. Natürlich hat hier mittlerweile trotz der über lange Zeit sehr schwierigen Erreichbarkeit die technische Moderne mit Fernsehen, Internet und Mobiltelefon Einzug gehalten, aber erhalten geblieben ist seit Jahrhunderten ein weltweit einzigartiger Umgang mit den verstorbenen Familienmitgliedern. Ein uralter Brauch, an dem auch der jahrzehntelange missionarische Ehrgeiz diverser westlicher Religionen nichts ändern konnte. Formell sind mittlerweile zwar achtzig Prozent der Toraja Christen, aber man lebt einen von der Kirche geduldeten Synkretismus.

Die kulturelle Besonderheit ist, dass die Toraja glauben, dass das Leben auf der Erde nur ein Übergangsstadium hin zum Puya ist, dem ersehnten Jenseits. Nach dem Tod verlässt die Seele zwar die Körperhülle, bleibt aber immer in der Nähe, im Familienumfeld. Leib und Seele sind und bleiben deshalb immer Teil des familiären Verbundes – mental und physisch. Die Verstorbenen werden einbalsamiert oder mit Formalin präpariert und im hinteren Teil der baulich so typischen und unverwechselbaren Toraja-Häuser aufbewahrt. Die Häuser (Tongkonan) haben eine traditionelle Architektur, die an Schiffe auf Stelzen erinnert.

Bis die eigentliche Begräbniszeremonie stattfindet, kann es mitunter Jahre dauern. Das genaue Datum ist immer abhängig vom Wohlstand der Familie. Bei jeder Bestattung müssen teure und wertvolle Wasserbüffel geopfert werden, je angesehener eine Familie, desto mehr Büffel. Die Toraja glauben, dass der Verstorbene die Büffel braucht, um seine Reise ins Jenseits zu machen.

Das kann jede Familie an ihre finanziellen Grenzen bringen, weshalb dafür über Jahre gearbeitet und gespart werden muss. So lange bleibt der Leichnam im Haus, liegt gut sichtbar und angezogen auf einem Bett und wird gelegentlich auch an den Tisch der Familie geholt, so als würde es sich nur um ein viel schlafendes Familienmitglied handeln. Nach der Bestattung werden oft Holznachbildungen der Verstorbenen im Haus oder im Dorf in ihren Originalkleidern ausgestellt.

Doch damit nicht genug. Manchmal einmal pro Jahr, manchmal auch öfter, gelegentlich aber auch alle paar Jahre werden die Gräber und Särge geöffnet, die Körper der Verstorbenen werden exhumiert, gewaschen, gepflegt und neu eingekleidet. Die so herausgeputzten Toten werden für eine bestimmte Zeit wieder physisch ins Familienleben integriert, man erzählt ihnen die Neuigkeiten der letzten Zeit und führt sie mitunter auch im Dorf herum. Dieses Ma’Nene genannte Ritual hat ebenso wie die Begräbniszeremonie bei den Toraja nie etwas Trauriges oder Bedrückendes, sondern es sind für alle Beteiligten Feste der Freude und der Ausgelassenheit. Selfies mit den Toten gehören ebenso dazu wie eine Zigarette, die man dem verstorbenen Großvater, der Großmutter, der Tante oder dem Onkel glimmend zwischen die Lippen steckt.

Leider kam es, wie es kommen musste. 1971 besuchten eher zufällig etwa 50 Europäer das Dorf. Das touristische Interesse explodiert, schnell wurde die Region der Toraja zur zweitwichtigsten indonesischen Attraktion nach Bali. Nach dem Ausbau der Straßenverbindungen nach Makassar und dem Bau eines nahe gelegenen Flughafens 1981 waren es bis 1985 bereits über 200.000 Touristen, die die Toraja-Dörfer heimsuchten. Lokale Protestaktionen gegen diesen Overtourismus, bis hin zur Schließung einzelner Dörfer, waren nur von kurzer Dauer. Überall siegten Kommerz und Gier in Anbetracht einer verlockenden Einnahmequelle.

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© Shutterstock, Anna_plucinska

Madagaskar

Famadihana - Tote als Götterboten

Eine Variante des sulawesischen Ma’Nene findet man auf Madagaskar an der afrikanischen Südostküste. Mindestens alle zehn Jahre werden die Toten wieder ausgegraben, in neue, wertvolle Seidentücher gehüllt und dann in einer feierlichen Zeremonie wieder begraben. Das geschieht von Dorf zu Dorf und von Familie zu Familie in unterschiedlichen Abständen, wobei diese Zyklen vom ortsansässigen obersten Schamanen (Ombiasy) festgelegt werden. Nicht selten wird von diesem eine Famadihana als Sühne auferlegt, wenn in der Familie ein lokales oder allgemeines Gebot (Fady) nicht eingehalten oder übertreten wurde. Als Vermittler (Razana) zwischen den Menschen und den Göttern sollen die neu und festlich eingekleideten Ahnen die Besänftigung der Götter erwirken.

Internationale Gesundheitsorganisationen sehen die Famadihana allerdings als Hauptgrund dafür, warum Madagaskar im weltweiten Vergleich schon immer eine Hochburg für Pesterkrankungen war. Allein 2015 waren von allen globalen Pest-Todesfällen fast ein Viertel allein auf Madagaskar zu verzeichnen.



Bali/Indonesien

Nyepi - das Fest der Stille

Kann sich das jemand heutzutage überhaupt noch vorstellen? 24 Stunden lang kein Internet, kein Fernsehen, strikt im Haus oder in der Wohnung bleiben, kein Arbeiten, keine Feste, keine lauten Gespräche, kein Licht, kein Feuer, durchgehendes Fasten. Und das als strenges Gebot für alle Menschen, worüber eine durch die Straßen patrouillierende Sitten- oder Religionspolizei wacht.

Absolute Stille. Sonst nichts.

Einmal pro Jahr erleben dieses Ereignis alle Bewohner Balis. Sogar der große internationale Flughafen von Denpasar ist für einen ganzen Tag und eine ganze Nacht geschlossen.

Nyepi bezeichnet den ersten Tag eines neuen Jahres nach dem traditionellen balinesischen Mondphasen-Kalender Saka, weshalb Nyepi auch als „Balinesisches Neujahr“ bezeichnet wird.

Genau genommen ziehen sich die Nyepi-Feierlichkeiten über drei bis vier Tage hin. Zu Beginn werden heilige Objekte wie zum Beispiel Statuen im Rahmen einer Prozession aus den Tempeln und Wohnungen zum nächsten Fluss, See oder Meeresufer gebracht und gereinigt, was symbolisch für die Reinigung der Natur steht.

Am Tag vor dem Nyepi-Tag wird auf der ganzen Insel eine Art Exorzismus-Zeremonie durchgeführt. In einem karnevalsähnlichen Umzug werden furchterregende und oft stark sexualisierte Ogoh-Ogoh-Figuren durch den Ort gezogen oder getragen. In Kombination mit dem ohrenbetäubenden Lärm durch Trommeln und Blasinstrumente werden die bösen Geister aus ihren Verstecken in Häusern und Tempeln, Bäumen und Steinen verjagt und schließlich mit den Ogoh-Ogoh-Figuren verbrannt.

Den Nyepi-Tag der Stille selbst soll man idealerweise in Meditation verbringen. In der Vorstellung der Balinesen versuchen die vertriebenen bösen Geister, zur Insel zurückzukehren. In Anbetracht der Stille und Dunkelheit vermuten die Geister jedoch, dass auf der Insel niemand lebt, und ziehen weiter.

Auch von den Touristen wird die Einhaltung dieser Gebote erwartet. Allerdings hat sich dies in den großen internationalen Hotels über die Jahre aufgeweicht. Man darf zwar die Hotel-Anlage nicht verlassen, hat jedoch Zugang zu Speisen und Getränken und meist auch zum Internet. Baden oder Strandbesuche sind jedoch zu vermeiden.

Gerade für alle Nicht-Balinesen ist Nyepi nicht nur eine besondere Erfahrung und vielleicht auch ein Selbstexperiment, sondern auch noch aus einem anderen Grund ein einmaliges Ereignis. Kaum irgendwo sonst auf der Welt ist abends und in der Nacht der Sternenhimmel so schön zu sehen wie an Nyepi. Kein Licht, kein Flugzeug, völlige Dunkelheit. Und über einem Millionen wunderschöner Sterne.

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Ogoh-Ogoh-Figur © travelART by Ellen

Kyoto/Japan

Gion-Matsuri - Volksfest mit Shinto-Wurzeln

Als Matsuri werden in Japan ganz allgemein Feste bezeichnet, die irgendwann aus dem Jahresablauf der Bauern entstanden sind. Da gibt es Frühlingsfeste zur Zeit der Kirschblüte, aber auch Herbstfeste im Rahmen der Reisernte. Die Feste finden nicht gleichzeitig landesweit, sondern terminlich und vom Umfang her regional unterschiedlich statt.

Neben den Festen in Tokio und Osaka zählt das Gion-Matsuri in Kyoto zu den spektakulärsten Matsuri. Es dauert jedes Jahr den ganzen Juli hindurch und nimmt für sich in Anspruch, die prachtvollste Parade an turmhohen, künstlerisch gestalteten Prunkwagen und die größten tragbaren Shinto-Schreine vorweisen zu können. Shintoismus (oder auch nur Shinto genannt) ist neben dem Buddhismus die bedeutendste japanische Religion, bei der die Kräfte der Natur im Mittelpunkt stehen. Dieser Glaube, der übersetzt „Weg der Götter“ heißt, beruht auf der Verehrung von Kami und anderen Naturgöttern mit animistischen und schamanistischen Eigenschaften.

Diese Götter wurden im Jahr 869 verzweifelt angerufen, als eine Pest-Epidemie die Region heimgesucht hatte. Ein Wagen mit dem Shinto-Schrein wurde durch die Straßen gezogen und die Pest ging tatsächlich zurück. So die Sage. Traditionell wird jedes Jahr ein Junge aus dem Ort als heiliger Bote für die Götter ausgewählt. Er sitzt auf einem der vielen kunstvollen Festwagen, wobei seine Füße niemals den Boden berühren dürfen. Beim Gion-Fest gibt es zwei Arten von Prunkwagen (Yama und Hoko), die bis zu 25 Meter hoch sein können und bis zu zwölf Tonnen wiegen. Wegen der aufwändigen Dekorationen und der hervorragenden kunsthandwerklichen Arbeiten mit gewebten Stoffen, gefärbten Textilien und Skulpturen werden sie manchmal sogar als rollende Kunstmuseen angesehen. Die tragbaren Schreine können es auf ein Gewicht von bis zu 1,6 Tonnen bringen, weshalb dann auch bis zu 24 Träger notwendig sein können. Rund um die Wagen kann man sogenannte Chimaki als Glücksbringer erwerben.

Und damit ist man schon fast bei den neuzeitlichen Aspekten angekommen. Bei den Matsuri handelt es sich heutzutage mehr und mehr um riesige Volksfeste, allerdings mit hohem Unterhaltungswert. Die ganze Stadt ist vier Wochen lang in Festtagsstimmung, mancherorts befindet man sich in einer riesigen Partymeile. Allerdings bleiben die Umzüge ohne Zweifel die unbestrittenen Höhepunkte. Die beiden größten Umzüge Kyotos finden in der Regel Mitte Juli (Saki Matsuri Junko) und gegen Ende des Monats (Ato Matsuri Junko) statt.

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© Shutterstock, T.Yagi

Ost-Sepik-Provinz/Papua-Neuguinea

Sepik River Crocodile Festival - Reptilien und Krokodilmenschen

Papua-Neuguinea ist nach Indonesien und Madagaskar der flächenmäßig drittgrößte Inselstaat der Welt. Der Sepik ist mit über tausend Kilometern der längste Fluss der Insel Neuguinea und der fünftlängste Fluss Australiens und Ozeaniens. Wie an allen mächtigen Flussströmen der Erde spielt sich das Leben der Menschen auf dem Fluss oder rund um das Gewässer ab. So hat man über die Jahrtausende gelernt, mit den Gefahren des Flusses umzugehen, und lebt sogar im Einklang mit den gefährlichen Krokodilen, die nicht nur bedrohliche Reptilien, sondern Teil ihrer Welt sind.

Beim Sepik River Crocodile Festival dreht sich alles um dieses ikonische Symbol. Dieses farbenfrohe, wilde und faszinierende Fest in Wewak, der Hauptstadt der Provinz Ost-Sepik, dauert drei Tage und verbindet Tradition, Kunst, Tanz und lokale Spiritualität. Das Krokodil ist für die Menschen am Fluss (darunter die Iatmul, Abelam und viele andere Stämme) ein heiliges Geschöpf, das Stärke, Macht und die Verbundenheit mit den Vorfahren symbolisiert. In der lokalen Tradition nennen sie sich deshalb auch gerne die „Crocodile people“, denn viele Gemeinden entlang des Flusses glauben, dass sie von diesen Geschöpfen abstammen. Eines der Hauptmerkmale des Festivals sind die traditionellen Krokodiltänze. Diese Tänze imitieren die Bewegungen von Krokodilen und sind reich an Symbolik, die die Darsteller mit den Geistern der Vorfahren und der Natur verbindet.

Während des Festivals, manchmal aber auch zu anderen Zeitpunkten und an anderen Abschnitten des Sepik River, werden die legendären Skarifizierungen durchgeführt, das sogenannte Schneiden von Krokodilnarben. Mit einer Rasierklinge werden jungen Männern spezielle, traditionelle Muster in die Haut geschnitten, bestehend aus Punkten und Bogenlinien. Nach der Glaubensvorstellung der Völker am Fluss nehmen die Männer mit dem Setzen der krokodilsähnlichen Narben auch die Kraft des Tieres in sich auf, um sie im Kampf gegen ihre Feinde einsetzen zu können. Sie werden damit zu Kriegern und vor allem auch zu selbstständigen, heiratsfähigen Männern. Das Ritual ist nicht mehr wie ursprünglich an einen bestimmten Altersabschnitt gebunden und wird heutzutage bei Jungen und Männern im Alter von elf bis über 30 Jahren vollzogen. Zur Schmerzlinderung werden spezielle Pflanzenblätter gekaut.

Da in Papua-Neuguinea über hundert ethnische Gruppen leben, fördern diese regionalen Feierlichkeiten das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit. So ist die Hoffnung und so ist es auch oft. Bis heute sieht dies vor Ort aber auch sehr häufig ganz anders aus. Für viele Regionen des Landes bestehen fast ständig Reisewarnungen wegen der immer wieder aufflammenden blutigen Stammeskämpfe. Das gilt es als Besucher ebenso auf dem Schirm zu haben wie die hohe Kriminalität und Gewaltbereitschaft. Darüber hinaus sind lokale Flüge und Inlandsverbindungen eher unzuverlässig. Reisende sollten deshalb unbedingt beachten, dass gerade in Papua-Neuguinea das Reisen abseits ausgetretener Pfade ein großes Abenteuer sein kann.


Boryeong/Südkorea

Boryeong Mud Festival - eine schlammige Angelegenheit

Die Veranstalter behaupten, dass es das größte Sommerfestival der Welt ist, an dem Menschen unabhängig von Nationalität, Rasse, Sprache und Alter unbeschwert Spaß haben können.

Das klingt nach einem modernen Marketing-Slogan und eher weniger nach jahrhundertealter Tradition. Und so ist es auch, denn erst 1998 wurde das Spektakel ins Leben gerufen. Aber nichtsdestoweniger hat das Mud Festival sehr schnell Kultstatus erreicht.

Mittlerweile strömen während der zehn Festivaltage bis zu vier Millionen Besucher an den Strand von Boryeong, das etwa 200 Kilometer südlich von Seoul liegt.

Der Schlamm an diesem Meeresabschnitt des Taeanhaean-Nationalparks ist extrem mineralreich und enthält überdurchschnittlich viel Germanium und Bentonit – Bestandteile, die gerne auch von der örtlichen Kosmetikindustrie verwendet werden.

Warum sich also nicht hineinstürzen in diesen Schlamm, der doch gesund und schön machen soll?

Die südkoreanische Kommerzialisierungsmaschinerie sprang schnell auf diesen Hype auf. Aus Tonnen aus Schlamm wurde am Strand das Mud-Experience-Land errichtet. Riesige Schlammbäder, Schlammrutschen, Spiele und eine ganze Reihe von Aktivitäten werden für die Besucher aufgebaut. K-Pop- und Techno-Bands geben Konzerte und natürlich geht es nicht ohne die Wahl zu Mister und Miss Mud. Da übersieht man geflissentlich, dass gelegentlich gesundheitliche Probleme zu vermelden sind. So mussten 2009 etwa 200 Besucher wegen Juckreiz und Hautausschlag ärztlich behandelt werden, teilweise im Krankenhaus. Doch das ist wohl eher die Ausnahme. Im Vordergrund steht für alle Besucher die losgelöste Ausgelassenheit, die die sonst so diszipliniert lebende einheimische Bevölkerung ebenso in Ekstase versetzt wie die etwa zehn Prozent ausländischen Gäste. Und die verschlafene Küstenstadt Boryeong hat auf jeden Fall ihren Spaß, wenn sie sich jedes Jahr Mitte Juli im wahrsten Sinne des Wortes in ein Schlammfest verwandelt.


Nevada/USA

Burning Man - ein Gegenentwurf zur Gesellschaft?

Verrückt – verrückter – Burning Man, so könnte die Steigerungsform hin zum Superlativ des skurrilsten Festivals weltweit lauten.

Das alljährlich rund um den amerikanischen Labor Day (Anfang September) stattfindende Festival in der Black-Rock-Wüste in Nevada, circa 150 Kilometer nordöstlich von Reno, wurde 1986 von Larry Harvey am Baker Beach in San Francisco ins Leben gerufen. Damals verirrten sich gerade einmal zwanzig Teilnehmer auf dem Gelände des Presidio. Bereits 1990 war die Teilnehmerzahl aber so groß, dass man in die Wüste Nevadas umziehen musste, wo sich mittlerweile mehr als 75.000 Menschen einfinden, wenn es wieder den „Brennenden Mann“ zu bewundern gilt. Offensichtlich konnte man aber auch die Brandschutzauflagen der Stadt San Francisco nicht mehr erfüllen. Das traditionelle Verbrennen der von Jahr zu Jahr höheren Holzstatue findet allerdings immer erst am siebten und letzten der Festivaltage statt und bildet den Abschluss dieses an Abstrusitäten unübertrefflichen Zusammentreffens nicht weniger bizarrer Menschen. Es fällt schwer, genau zu definieren, um was es bei dem Festival eigentlich geht. Im Kern handelt es sich um eine große Kunstinstallation. Jeder stellt aus oder performt, was ihm in den Sinn kommt oder was er vielleicht über Monate vorbereitet hat. In der Community herrscht die Regel, dass es eigentlich keine Regel gibt. Der grenzenlosen Selbstdarstellung sind alle Grenzen geöffnet. Und natürlich ist alles eine riesige Party. Musik spielt eine große Rolle, aber es ist viel mehr als Woodstock. Auf dem Fest sind nur Fußgänger, Fahrradfahrer und die besonders phantasievollen und skurrilen „Art Cars“ zugelassen, die auch als „Mutant Vehicles“ bezeichnet werden. Hier dürfen sich die US-Amerikaner an ihrem liebsten Spielzeug austoben. Aber das ist natürlich nur ein kleiner Teil der Gesamtszenerie.

Wüste bedeutet, dass es weit und breit kein Wasser und nur mühsam Strom über Generatoren gibt. Dennoch schafft man es heutzutage, in der Wüste eine temporäre Stadt mitsamt Krankenhaus und kleinem Flughafen entstehen zu lassen. Die Besucher kampieren bevorzugt in Zelten und Wohnmobilen. „No Trace“ ist ein wichtiges Motto, weshalb ein Team von ehrenamtlichen Mitarbeitern im Anschluss dafür sorgt, dass keine Spuren (insbesondere Abfall) hinterlassen werden.

Der Burning Man ist kein günstiges Pflaster. Neben Kosten für Flüge und Wohnmobil-Anmietung kommen Ticketpreise von etwa 575 bis 1500 USD hinzu, wobei der Stellplatz nochmals mit etwa 150 USD zu Buche schlägt.

Der spezielle Spirit beim Burning Man hat bereits Soziologen und Kulturwissenschaftler auf den Plan gerufen, die sich damit beschäftigen, wie sich in der riesigen Community mit ihren ganz eigenen Gesetzen während der Festivaltage Gemeinschafts- und Identitätsbildung vollzieht, wobei die theoretischen Überlegungen sogar so weit gingen, ob Burning Man als Gegenentwurf zu einer Gesellschaft außerhalb des Festivals herangezogen werden könnte.

Die große Popularität von Burning Man hat mittlerweile dazu geführt, dass sich weltweit ähnliche Veranstaltungen entwickelt haben. Das bekannteste ist vielleicht das African Burn, das in Quaggafontein/Tankwa Karoo in der Western-Cape-Provinz Südafrikas immer Ende April abgehalten wird.


Amazonas/Brasilien

Festival Folclórico de Parintins - Wettstreit unter Ochsen

Kann es sein, dass eine Stadt irgendwo im brasilianischen Amazonas den Karnevalsfeierlichkeiten in Rio de Janeiro und Salvador droht, den Rang abzulaufen? Dem 100.000-Einwohner-Ort Parintins gelingt dies jedes Jahr im Juni. Sein alljährliches Folklore-Festival (manchmal auch Boi-Bumba oder Bumba Meu Boi genannt) ist innerhalb weniger Jahre aus der Bedeutungslosigkeit zum anerkannten Kulturerbe Brasiliens geworden. Die zugrundeliegende Legende ist relativ lapidar. Ein Harlekin lässt einen Ochsen wiederauferstehen, möglicherweise sind es auch zwei, ein weißer und ein schwarzer. Genaueres wissen nur Insider. Zwei Teams, die Boi Garantido in leuchtendem Rot und die Boi Caprichoso in tiefem Blau, treten dabei aus irgendeinem nur schwer erkennbaren Grund gegeneinander an und versuchen, sich gegenseitig zu übertreffen. Und natürlich geht es auch um einen Mann und eine Frau beziehungsweise das Männliche und Weibliche im Leben. Doch diese Handlung ist eigentlich auch völlig nebensächlich. In erster Linie geht es wie beim Karneval um prächtig geschmückte Festwagen, extravagante Kostüme, mitreißende Musik, Gesang und Tänze und um eine Stimmung, die niemanden im Bumbodromo, der etwa 35.000 Besucher fassenden Arena in Form eines Ochsenkopfes, kalt lässt. Das Festival ist eine Explosion lokaler Folklore, indigener Kultur und auch zeitgenössischer Rhythmen. Über drei Tage, von Freitag bis Sonntag, füllt sich diese Amazonasstadt Parintins mit ungeahnter Energie und purer Emotion. Die Aufführungen beginnen bei Einbruch der Dämmerung und reichen tief in die Nacht hinein.

Obwohl der Effekt auf den Zustrom der Besucher aus allen Teilen Brasiliens und aus aller Herren Länder nicht zu übersehen ist, werden die Veranstalter nicht müde zu beteuern, dass es hier vor allem darum geht, „die indigenen und Mestizen-Traditionen zu bewahren, zu beleben und den neuen Generationen den Wert ihrer Wurzeln und die Bedeutung der kulturellen Erhaltung zu lehren“. Das reiche Erbe der Ureinwohner des Amazonas soll mit ihren Mythen und Legenden auf die Bühne, in die Gegenwart und damit ins Gedächtnis gebracht werden. Was dieses Festival aber auf jeden Fall widerspiegelt, ist pure Lebenslust.


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