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ELEUTHERA - eine Insel nicht für jeden

  • Autorenbild: Joachim Materna & Ellen Kuhn
    Joachim Materna & Ellen Kuhn
  • vor 1 Tag
  • 8 Min. Lesezeit

„Eleuthera is not for everyone“ ist das Motto der Insel, die zu den Outer Islands der Bahamas gehört. Wie kommt man auf solch einen eher abweisend und einschränkend wirkenden Slogan, wenn man doch überall auf der Welt um mehr und mehr Touristen wirbt?

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Eleuthera ist sehr lang, fast 180 Kilometer vom südlichsten bis zum nördlichsten Zipfel. Und sehr schmal, manchmal sogar nur ein paar Meter breit. Aber die Insel ist nicht wirklich hoch. Die höchste Erhebung liegt irgendwo zwischen 50 und 60 Metern, für deren Besteigung man keinen Sauerstoff, keine Seilschaft und keinen Reinhold Messner benötigt. Durch ihren Ursprung auf Millionen Jahren alten Korallenriffen ist Eleuthera steinig und nur sehr begrenzt fruchtbar. Bewachsen ist die Insel von wildem Buschwerk und nicht allzu hohen Bäumen, darunter auch jede Menge der erhofften Klischee-Palmen in allen Variationen. Und natürlich immer wieder diese eine Palme, die jedem einen tiefen Seufzer entlockt, weil sie schräg in Richtung Meer wächst und sich über dem weißen Sand im Wind wiegt. Es gibt unzählige Strände, wobei sie jemand wohl doch gezählt haben muss und auf genau 135 kam. Und es gibt, wie überall, den nie endenden Streit, welcher der schönste ist, welcher darunter der berühmte Beach-Geheimtipp ist und wo man den schönsten Sonnenuntergang bewundern kann.

Was macht diese Insel aus, deren Name aus dem Griechischen kommt und „Freiheit“ bedeutet? Warum finden sie die einen nach ein paar Strandtagen langweilig und warum verlieben sich die anderen unsterblich genau in diese Insel, wo es doch noch etwa 700 andere Bahamas-Inseln zur Auswahl gibt?


Eleuthera ist nicht nur vielseitig, sondern hat auch zwei geografische Seiten oder besser Küstenlinien – die atlantische Ostküste und die karibische Westküste. Doch eigentlich ist diese verbale Trennung eine Farce, denn hier wie da ist es das gleiche Wasser, das die Insel umspült. Die wilde, dunkelblaue Brandung im Osten und die oft ruhige, türkisgrüne Wasseroberfläche an den Stränden im Westen lassen den Eindruck aufkommen, dass es zwei getrennte Ozeane gibt, was natürlich nicht stimmt. Nördlich und südlich der Insel ist alles eins. Sogar in der Inselmitte gibt es eine direkte Verbindung der Meere. Unter der Glas-Window-Bridge, die zu den Top-Sehenswürdigkeiten der Bahamas gerechnet wird, schwappt das Wasser je nach Strömung und Windrichtung mal in die eine, mal in die andere Richtung. Der ein oder andere Hurrikan hat es in der Vergangenheit auch geschafft, die einst natürliche und später von Menschenhand erbaute Brücke gleich mit zu bewegen und damit die Verbindung für lange Zeit zu unterbrechen.


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Beim Anflug und auf Landkarten erinnert das lange, schmale Eiland sehr stark an einen ausgefransten Bumerang oder eine leicht verzogene Walfisch-Rippe. Wenn man Glück hat, kann man gelegentlich wirklich Buckelwale auf ihrer saisonalen Wanderung vorbeiziehen sehen. Viel wahrscheinlicher ist es allerdings, dass man verspielten Delfinen bei ihren Sprungfiguren zusehen kann. Oder dass man beobachtet, wie unweit die ein oder andere Schildkröte mit scheinbar stoischer Ruhe ihrem Schwimmziel entgegensteuert. Oder wie die eleganten Manta-Rochen mit adlergleichem Flügelschlag ganz nah an Schwimmern vorbeigleiten. Aber auch Haie fühlen sich hier, wie überall auf den Bahamas, sehr wohl. Manche Hammerhaie finden die Bahamas derart attraktiv, dass sie auf ihre üblichen, bis zu 3000 Kilometer langen Züge von Süd nach Nord und umgekehrt verzichten und teilweise jahrelang in diesen Gefilden bleiben. Reichlich Beute und Zugang zu tiefen Gewässern, die auch im Sommer kühl bleiben, machen wohl den Reiz zum Bleiben aus. Das höchste Aufkommen an Haien gibt es rund um New Providence, die Insel, auf der auch Nassau liegt, aber auch rund um die anderen Inseln gibt es neben harmlosen durchaus auch gefährliche Hai-Arten.

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Die klimatischen Bedingungen sind nicht nur für die Meeresbewohner mit den markanten Rückenflossen eine Wohltat, sondern sind auch der Grund, warum der Tourismus zum Wirtschaftsfaktor Nummer eins auf Eleuthera geworden ist. In Zeiten, in denen es auf der Nordhalbkugel Winter ist, findet man hier tagsüber fast immer 22 bis 25 Grad Celsius vor, aus denen im örtlichen Sommer dann auch über 30 Grad werden können. Über die winterlichen Minimaltemperaturen in der Nacht von etwa 17 Grad zwischen Dezember und März kann ein Nordländer nur neidisch lächeln. 


Eleuthera lag touristisch eigentlich immer schon im Schatten der deutlich stärker frequentierten Inseln New Providence, Andros und Grand Bahama. Kommen Besucher nach Eleuthera, bevorzugen diese oft sehr luxuriöse Resorts mit Rundum-Programm und erkunden eher selten den Rest der Insel. Beispiele für diese Art der Hotellerie sind The Cove, The Potlatch Club und das French Leave, wobei letzteres dank seiner Lage in Sichtweite von Governor’s Harbour, einer Art Verwaltungszentrum von Eleuthera, zumindest einen gewissen Anschluss an das lokale Leben hat. Als ultimative Steigerung dieser isolierten Refugien hat sich die Carnival-Kreuzfahrt-Gesellschaft eine ganz abstruse Urlaubsform einfallen lassen. Man hat ein paar Hektar Land am Südende Eleutheras gekauft und dort eine Art Beach-Club etabliert. Täglich werden hunderte, meist amerikanische Kreuzfahrer hier für einen Strandtag von Bord gelassen, rundherum zwangsbespaßt und abends wieder aufs Schiff zurückgeholt. Das Carnival-Gelände namens Princess Cays ist hermetisch vom Rest Eleutheras abgeschottet und alleine den „bovinen Herdentieren“ vorbehalten, wie es der Schriftsteller David Foster Wallace einmal markant formulierte.


Bei einer statistischen Arbeitslosigkeit von bis zu 80 Prozent – wobei sich die Frage aufdrängt, wer diese Zahlen bei der hier dominierenden lockeren Lebensweise erhebt – bieten diese Hotels und Clubs allerdings die Chance auf Jobs. Ebenso wie der zunehmende Markt an Zweit- und Ferienhäusern auf der Insel, die Arbeitsplätze im Baugewerbe und im Service schaffen. Auch hier sind es vor allem US-Amerikaner, teilweise aber auch wohlhabende Einwohner Nassaus, die auf Eleuthera die noch relativ günstigen Grundstückspreise nutzen und sich ein abgeschiedenes Habitat erstellen lassen, das ein paar Wochen oder Monate im Jahr genutzt wird. 

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Tatsächlich gibt es hier noch Grundstücke, auf denen man seinen Blick schweifen lassen kann und nichts sieht außer einem grünen, dichten Vegetationsteppich. Eine sehr niedrige Bevölkerungsdichte von 15 Einwohnern pro Quadratkilometer auf Eleuthera ist zum Beispiel mit dem arabischen Oman mit seinen riesigen Wüstenflächen vergleichbar. Stehen mal irgendwo zehn oder zwanzig Häuser nebeneinander, nennt man es in einem Anflug von Hypertrophie oder fast schon Hybris gleich „Town“. Was man aber Gregory Town oder Alice Town absolut nicht übelnehmen kann, wenn man diese malerische Anhäufung von gelben, hellgrünen, himmelblauen, rosa- oder türkisfarbenen Häusern in ihrer pittoresken Idylle sofort ins Herz schließt. Alles ist überschaubar. Jeder grüßt jeden, egal, ob im Vorbeigehen, aus dem Auto heraus oder beim Einkaufen. Egal, ob man sich kennt oder nicht. Und immer ist Zeit für ein Schwätzchen. Dass alle Läden an einem bestimmten Tag schließen, weil ein Begräbnis ansteht, wird nicht angekündigt und nicht ausgehängt, weil es – so die nachträgliche Information – doch eh jeder weiß. Außer den Touristen, die vielleicht gerade meilenweit zum Einkaufszentrum gefahren sind und unverrichteter Dinge wieder umkehren … Erste Übungen in Bahamian Chilliness.


Einkaufen wird auf Eleuthera sowieso zu einer lebensverändernden Erfahrung. Zuallererst muss man sich von der mitgebrachten Definition eines Einkaufszentrums lösen. Und davon, dass ein solcher irgendwo gleich ums Eck wartet. Wohnt man zum Beispiel in der Region Rainbow Bay, muss man sich entscheiden, ob man etwa 40 Kilometer nach Süden oder nach Norden fährt, um seinen Nahrungsbedarf zu decken. Entscheidet man sich für die Süd-Route, liegen etwa vier bis fünf Shopping-Möglichkeiten auf der Strecke, die man alle ansteuern sollte, da alle mal das eine oder mal das andere im Angebot haben. Grundregel: Mache keine Einkaufsliste nach Wunschrezepten, sondern schaue, was es gerade gibt, und überlege Dir dazu ein Rezept. Die Auswahl wird zweimal pro Woche etwas größer, wenn das Postboot namens „Daybreak“ Waren aus Nassau anliefert. Hat man dann seine Utensilien zusammen, heißt es an der Kasse anstehen. Und warten. Und geduldig sein. Nächste Lektion in Bahamian Chilliness. Obwohl nur zwei bis drei Kunden mit wenig gefülltem Einkaufskorb vor einem stehen, kann es zwanzig, dreißig oder schon auch mal vierzig Minuten dauern, bis man selbst dran kommt. Warum? Keine Ahnung. Und nun? Gegen diese Langsamkeit amoklaufen, rebellieren oder sich ergeben? Tipp eines Insiders: Letzteres. Besser, man hört irgendwann einfach auf, sich das alles zu fragen. Und man legt nach und nach all die Ungeduld ab, die man sich über viele Jahre mühsam in deutschen Landen und Läden antrainiert hat. Man begibt sich in den Flow des Moments. Willkommen auf Eleuthera.


Auf der Insel selbst wächst nur sehr wenig. Das haben schon die ersten Siedler herausgefunden. Puritanische Pilger kamen 1648 von Bermuda auf die Insel. Sie waren ein paar Jahre zuvor in England aufgebrochen, um irgendwo auf der Welt die ideale Vision der griechischen Grundidee von Demokratie und Freiheit zu leben. Auf Bermuda klappte das nicht, auf Eleuthera blieb vom ebenfalls frustranen Versuch wenigstens der Name. Weiße Farmer und Grundbesitzer folgten und mit ihnen die in jener Zeit leidige Sklaverei. Wegen der fehlenden Anbau-Erträge zogen die Farmer weiter, die schwarze Bevölkerung blieb. Übrig blieben in rudimentärer Form auch der traditionelle Ananas-Anbau und eine relativ große Anzahl an Papaya-Bäumen sowie der Anbau weniger Gemüsearten wie Gurken, Tomaten, Okraschoten und Zwiebeln, allerdings mehr zur Selbstversorgung als zum Verkauf. Diese Form der Landwirtschaft spielt daher bei den Wirtschaftsfaktoren Eleutheras eine ebenso marginale Rolle wie die Einkommen über Industrie. Und auch an dem zweitwichtigsten Wirtschaftszweig der Bahamas haben die Einheimischen so gut wie keinen Anteil, ein Zweig, der sehr sibyllinisch mit „Finanzdienstleistungen“ beschrieben wird. Die Bahamas zählen zu den bekanntesten Steueroasen, da sie keine Einkommen-, Kapitalertrags- oder Unternehmenssteuern erheben, aber dieses Füllhorn schüttet seine Gewinne überwiegend in dunkle Kanäle aus, der kleine Mann oder die kleine Frau sind da sicher nicht darunter.

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Da setzt sich der Bahamian doch lieber in sein oft schon ziemlich altersschwaches Holzboot, das den Spuren der abblätternden Farbe nach vielleicht einmal blau war, und fährt mit knatterndem und rauchendem Außenbootmotor zum Fischen raus. Irgendwann am Nachmittag wird der Fang direkt am Landesteg feilgeboten. Verkauft wird an alle, die gerade zufällig vorbeikommen. „Oho, tolle Qualität der Fische! Können wir morgen wieder welche bekommen? Fahren Sie wieder raus? “ „Vielleicht. Das hängt davon ab. “ „Wovon?“ Die Antwort ist ein Schulterzucken. Okay, nächste Lektion in Chilliness verinnerlicht.


Nicht ganz so, aber ganz ähnlich ist es mit der Strom- und Wasserversorgung. Meistens funktioniert beides, manchmal aber auch nicht. Riesige Öl- und Gasgeneratoren versorgen die Bahamas mit Energie, manchmal auf den Inseln direkt lokalisiert und generiert, manchmal über Unterseekabel transportiert. Erneuerbare Energiequellen im großen Stil – Fehlanzeige. Aber angeblich in Entwicklung. Viele Ferienhäuser werden heutzutage mit Solarpanels aus- oder nachträglich aufgerüstet. Zumindest ein Anfang, und zudem verhindert es so manchen Abend im Dunkeln und/oder einen aufgetauten Kühlschrank. 


Viele Häuser haben Wasserzisternen im Boden eingelassen. Was wie ein romantischer Öko-Gag erscheint, ist wiederum eine dringende Maßnahme zur Unabhängigkeit von volatilen öffentlichen Systemen. Die Kehrseite ist, dass so mancher Hausbesitzer nach einer mal wieder sehr langen Periode der Trockenheit und nach einem Blick in seine autarkieverheißende Zisterne stirnrunzelnd ausrechnen muss, wie oft er in den nächsten Tagen noch duschen darf. In der Hurrikan-Saison von Juli bis November kann die Zisterne dagegen recht schnell überlaufen, leider manchmal auch das ganze Grundstück samt Haus.


Im Mittel fünf Regentage pro Monat zwischen Dezember und April bedeuten fast jeden Tag blauen Himmel und Sonnenschein. Hin und wieder gleiten ein paar weiße, gefiederte Cirruswolken oder ein paar wattebauschige Cumuluswolken über das leuchtend helle Firmament. Heute könnte ein Strandtag sein. Aber ach ja, war ja gestern auch schon. Und wird es sicher morgen auch sein, es gibt ja 135 Optionen. Und das kann über Monate so gehen. Irgendwann ätzend? Ja, schon. Wenn man sein Tun und Denken allein darauf beschränkt. Reine Strandlieger können es auf der Insel sicherlich nicht länger als eine Woche aushalten. Die fehlende Party-Szene tut für (oder besser gegen) dieses Klientel ihr Übriges, sieht man mal von ein paar Restaurants und Bars mit gelegentlicher abendlicher Live-Musik ab.

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Und um ganz ehrlich zu sein, wird man Eleuthera damit auch nicht gerecht. Die Insel hat eine facettenreiche Schönheit, die man sehen und fühlen muss. Eine Insel nur für Menschen mit besonderer Wahrnehmung, mit überproportionaler Empathie? Ja, vielleicht, zumindest wenn man sich etwas länger auf ihr aufhalten möchte. Ihren Stolz, ihre Würde und ihren Charakter lässt sie nur diejenigen spüren, die ihr open-minded, offen für neue Erfahrungen, begegnen und sich ins lokale Leben fallen lassen und integrieren. Dann macht es einem die Insel in mancherlei Beziehung auch wieder leicht. Da ist Sonne satt als permanenter Stimmungsaufheller, da sind die endlosen Fototapeten-Strände, die Ästhetik des schon unverschämt türkisenen, kristallklaren Wassers, die überbordende Üppigkeit der Natur und die ansteckende Herzlichkeit der Insulaner. Und da sind die allabendlichen spektakulären Sonnenuntergänge mit dem Wow-Effekt in Dauerschleife. All dies ist mehr als eine äußere Hilfestellung bei einer Insel-Erfahrung, die über kurz oder lang zum Selbstexperiment wird. Irgendwann wird klar, dass dies ein Wechselspiel zwischen einer Insel namens Eleuthera und ihren Gästen ist. Man hält ihr nur stand, man hält sie nur aus, wenn man etwas mitbringt, nämlich einerseits eine große Neugier und Bereitschaft für neue Lebenserfahrungen abseits stereotyper Urlaubserwartungen, aber anderseits auch eine eigene innere Fülle, Stärke, Bewusstheit und Wachheit. Vielleicht muss man sich selbst ihrer würdig erweisen. Oder um Harrison Ford zu zitieren in seiner Rolle als Pilot Quinn Harris im Film „Sechs Tage, sieben Nächte“: „Das ist eine Insel, Baby, was man nicht herbringt, das findet man hier auch nicht.“


Und nun zurücklegen und diese Insel, die nicht für jeden ist, über ein paar Impressionen auf sich wirken lassen…

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